Gustav Noske, Kurt von Schleicher
Aus dem Vorwort des Verfassers
Wie wird die Weimarer Republik heute gesehen? Über den Sozialdemokraten Noske schreibt Wolfram Wette in seiner politischen Noske-Biographie: …gehasst von den Linken, totgeschwiegen von der eigenen Partei, als Retter vor dem Bolschewismus gelobt von den Bürgerlichen… . Heute ist von Noske fast nur noch im Zusammenhang mit der Verehrung für Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht die Rede - und dann natürlich als Feindbild. Am 23. Januar 2002 sagte die kulturpolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin, als in einer Debatte um ein weiteres Denkmal für Rosa Luxemburg eins für Gustav Noske ins Gespräch gebracht wurde: Es ist wichtig, sich mit der unrühmlichen historischen Rolle von Gustav Noske zu befassen, denn seine weitreichende politische Wirkung muss beleuchtet werden. Die Schlussfolgerung aber ist klar: dem Bluthund gebührt kein Denkmal! Doch gerade von Sozialdemokraten in verantwortlichen Positionen – von Friedrich Ebert bis Helmut Schmidt - ist Noske ganz anders gesehen und gewürdigt worden.
Noske und Schleicher waren beide Reichswehrminister, Noske der erste und Schleicher der letzte der Weimarer Republik. Für das Wirken beider ist also die Rolle der Reichswehr von Bedeutung. Auch sie wird heute wohl eher negativ gesehen. Thilo Vogelsang („Die Rolle der Reichswehr in der Politik“) sieht dagegen in einer bestimmten Kategorie von Angehörigen des Offizierkorps die Geburtshelfer der Republik. Obwohl das eigentlich nicht zu bestreiten und Noske dabei der entscheidende Mittler zwischen Reichwehr und Politik gewesen ist, ist es keineswegs Bestandteil des allgemeinen deutschen Geschichtsbewusstseins. Dabei wäre ohne Noske und die Reichswehr schon die Weimarer Nationalversammlung gar nicht zustande gekommen. Friedrich-Karl von Plehwe hat seiner Schleicher-Biographie den Untertitel Weimars letzte Chance gegen Hitler gegeben. Aber auch von dieser Kennzeichnung kann man nicht sagen, dass Kurt von Schleicher mit ihr seinen Platz in der deutschen Geschichte gefunden habe. Warum eigentlich nicht? Er war der letzte Kanzler vor Hitler und ist nicht von Hitler überwunden, vielmehr durch Konspiration von rechts und Verweigerung von links gestürzt worden. Schleicher war zwar nur sechs Wochen lang Kanzler, aber er hatte zuvor schon 14 Jahre lang Einfluss auf die deutsche Politik genommen. –
Ist es nicht an der Zeit, diese beiden Staatsmänner und ihre Konzeptionen als echte Chancen für die Weimarer Republik gegen den Absturz in die nationalsozialistische Diktatur zu sehen und zu würdigen?
Inhaltsverzeichnis
Erster Teil
Der patriotische Sozialdemokrat
1. Das Ende des Deutschen Kaiserreichs
Hindenburg und Ludendorff verlangen Waffenstillstand – Wilsons 14 Punkte – Waffenstillstand und Eintritt der Sozialdemokraten in das Kabinett - Meuterei in Kiel und Eingreifen Noskes – Der Kaiser, die Wehrmacht und die Lage in der Heimat
2. Das Bündnis der Wehrmacht mit der Republik
Ausrufung der Republik und Abdankung des Kaisers - Ebert Vorsitzender des Rates der Volksbeauftragten – das Bündnis Eberts mit der Obersten Heeresleitung – die Rolle von Schleichers – die Weihnachtsunruhen, Kämpfe um Schloss und Marstall
3. Gustav Noskes Werdegang
Korbmacher-Lehre, Holzarbeiter-Gewerkschaft, Redakteur – sozialdemokratischer Experte für Heeres- und Marinefragen im Reichstag – die SPD stimmt für die Kriegskredite, und mit Liebknecht spaltet sich die USPD ab – erste Begegnung mit General von Lüttwitz – Noskes Reichstagsreden im Krieg – nach Ausrufung der Republik weiter in Kiel
4. Der erste Reichswehrminister
Spaltung im Rat der Volksbeauftragten – spartakistisch-kommunistischer Aufstand im Januar 1919 –„einer muss der Bluthund werden, ich scheue die Verantwortung nicht“ – Ermordung Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs, die Rolle von Waldemar Pabst – Wahlen zur Nationalversammlung in Weimar – Aufstände, Militäreinsätze und schwere Kämpfe in vielen deutschen Städten – Exzesse der Freikorps - Probleme des Aufbaus einer Reichwehr – Noskes hartes Vorgehen
5. Versailles
Wilsons vierzehn Punkte – Entsetzen über die Vertragsbedingungen – Zurückweisung jeglicher Vorbehalte, Ultimatum durch die Siegermächte – Ringen um Annahme oder Ablehnung – Einstellung der Wehrmacht – Noske Militärdiktator? – Groener empfiehlt Annahme des Vertrages, wenn Noske das vor der Wehrmacht vertritt – Vertragsannahme und Noskes Aufruf – „…kann bis an sein Lebensende nicht wieder froh werden“ – Folgen für die Stimmung in Deutschland
6. Der Kapp-Lüttwitz-Putsch
Innerparteiliche Opposition gegen Noske – Reichswehr unter Entlassungsdruck – Auseinandersetzung Eberts und Noskes mit Lüttwitz – Putschanzeichen und Noskes Maßnahmen – Konferenzen am Abend des 12. März 1920 und in der Nacht, Entscheidung zum Rückzug – Regierung in Dresden und Stuttgart - Generalstreik und Zusammenbruch des Putsches, Kapp und Lüttwitz fliehen ins Ausland – innerparteiliche Vorstöße gegen Noske und Eberts Bemühen, sie abzuwehren
7. „Der Feind steht rechts“
Was bedeutete der Putsch wirklich? - Scheidemanns „Schlachtruf“ – Bürgerkrieg in Westdeutschland, „Rote Ruhr-Armee“ – Folgen des Bruchs der Sozialdemokratie mit Noske und der Reichswehr – Abkehr von der Kooperation mit dazu bereiten Konservativen
8. Aus der Zeit als Oberpräsident in der Provinz Hannover
Die preußische Provinz Hannover – das dramatische Jahr 1923 – letzte blutige Auseinandersetzung in Hannover – Eberts Beleidigungsprozesse und sein Tod – Hindenburgs Verabschiedung aus Hannover – Noske setzt sich erneut für die Reichswehr ein – Kandidaturen Noskes für den Reichstag werden innerparteilich unterbunden – vielfache Würdigung von Noskes Wirken in den Anfangsjahren der Weimarer Republik anlässlich seines 60. Geburtstages 1928 – Noskes Entlassung
Zweiter Teil
Der soziale General
1. Aus dem Generalstab in die Politik
Das 3. Garderegiment zu Fuß – Erfahrungen im Generalstab - die Revolution – politischer Referent General Groeners – Beginn der Zusammenarbeit mit Reichspräsident Ebert – das programmatische Schreiben vom 27. Juni 1919
2. Im Reichswehrministerium
Konservative und Sozialdemokraten in der Pflicht und der Verantwortung für den Staat - militärische Kontakte mit der Sowjetunion – – Putsche und Umsturzversuche, das Jahr 1923 – Eberts Tod und Hindenburgs Wahl zum Reichspräsidenten –Schleichers Dienststelle, seine Mitarbeiter und seine politische Orientierung – Aufstieg in die politischen Führungsreihen
3. Ministeramt
a) Von der letzten parlamentarischen Regierung zu den Präsidialkabinetten
Hermann Müller (SPD) letzter parlamentarischer Reichskanzler – Erwin Plancks Erfahrungen in der Reichskanzlei – Schleicher präsentiert Brüning als Kanzler einer Präsidialregierung – Wiederwahl Hindenburgs – Hitlers Aufstieg
b) Konflikt Schleicher–Groener – Groeners Absturz und das Ende der Regierung Brüning
Der Konflikt – die Rolle Hindenburgs – Brünings Sturz – Schleicher wehrt sich gegen Brünings Intrigen-Vorwürfe
4. Reichswehrminister
a) In der Regierung von Papen
Schleicher präsentiert Papen – 103 Tote bei politischen Auseinandersetzungen – der „Preußenschlag“ und sein verfassungspolitischer Hintergrund – Schleicher wendet sich mit grundsätzlichen Ausführungen an die Öffentlichkeit – Hitlers „Alles oder Nichts“ und Hindenburgs Ablehnung – Adenauer warnt vor Hitler und sucht Kontakt mit Schleicher
b) Schleichers Konzept beginnt sich abzuzeichnen
Eine Besprechung auf Gut Neudeck – eine unglaubliche Reichstagssitzung –Absturz der Nationalsozialisten, Hitler in der Krise – Strassers „historischer Augenblick“ - Schleicher strebt ein Kabinett auf breiter Grundlage, gestützt von Gewerkschaften und Reichswehr, an - Schleicher auf Konfrontation mit Papen
5. Reichskanzler
Das Echo auf die Ernennung Schleichers zum Reichskanzler
a) Das Regierungsprogramm des Reichskanzlers von Schleicher –
Konfrontation Hitler-Straßer - Gewerkschafter für Schleicher - – Schleichers große Rundfunkansprache
b) Ansätze und Widerstände
Schleicher und der Kronprinz – Schleicher bemüht sich um die SPD - ungünstige Rolle Brünings? – zwei ungenutzte Möglichkeiten - Papens Konspiration mit Hitler – Konflikt Schleichers mit dem Reichs-Landbund und ostpreußischen Grundbesitzern - Hugenbergs Deutschnationale gegen Schleicher – Hindenburg und sein Sohn unter Druck - Führung der SPD unterbindet Kontakte sozialdemokratischer Gewerkschaftler mit Schleicher und des sozialdemokratischen „Reichsbanner“ mit der Reichswehr; Abgeordnete raten Hindenburg zu Hitler in der Hoffnung, er werde scheitern
c) die letzten Stunden der Weimarer Republik
Hindenburg lässt Schleicher im Stich und setzt auf Papen – letzte Versuche Schleichers, der Reichswehr-Führung und Kleist-Schmenzins, Hitler zu verhindern – Reichwehrputsch und Generalstreik gegen Hitler erwogen und aufgegeben - Hindenburg ernennt Hitler zum Reichskanzler
Dritter Teil.
Gedanken über das „System Noske“ und Schleichers „Querfront“
Im Text zitierte Quellen und Literatur
Personenverzeichnis
Das Buch hat schon die Aufmerksamkeit von Professoren an deutschen und britischen Universitäten gefunden.
"Sie gewähren einen ebenso überzeugenden wie neuen Blick auf diese beiden Persönlichkeiten, der sicherlich die zukünftigen Debatten über das 20. Jahrhundert als "Age of Extremes"
(Eric Hobsbawm) neu beleben wird."
Geschichts-Professor Dr. Joachim Scholtyseck von der Universität Bonn
"Mit Ihrem Werk über Gustav Noske, Kurt von Schleicher und „die erste und die letzte Chance für die Weimarer Republik“ haben Sie m ir eine große Freude gemacht. Sie gewähren einen ebenso überzeugenden wie neuen Einblick auf diese Persönlichkeiten, der sicherlich die zukünftigen Debatten über das 20. Jahrhundert als „Age of Extremes“ (Eric Hobswam) beleben wird."
Professor Dr. Joachim Scholtyseck von der Universität in Bonn
"In der angelsaechischen Forschung gibt es uebrigens auch eine Reihe aehnlicher Forschungen, in denen Historiker weniger politisiert als in Deutschland oftmals zu diesen Themen schreiben und zu aehnlichen Ergebnissen wie Sie und ich kommen."
Professor Dr.Thoms Weber von der Univercity of Aberdeen
"... hat übrigens inzwischen in einem grundlegenden Aufsatz „Nicht alternativlos“ in der Historischen Zeitschrift Bd.312 Heft 2 veröffentlicht, in dem er sich speziell und ausführlich mit einem Thema befasst, das in meinem Buch in dem Kapitel über die Reichskanzlerzeit von Schleicher vorkommt, nämlich dem Versuch, die NSDAP zu spalten und eine Regierung mit dem Nationalsozialisten Straßer ohne Hitler zu bilden."
Professor Dr. Wolfram Pyta von der Universität in Stuttgart